Luzerner Trompeten-Ensemble
Rezensionen

Landbote Winterthur vom 24.09.2003
 

ANDELFINGEN: TROMPETENKLANG IN DER KIRCHE
Kleines Ensemble sielt grosse Musik
 
von WERNER GYSIN

Am Bettagabend erklangen in der Andelfinger Kirche ungewohnte Töne. Ein Konzert mit nur fünf Trompeten und Orgel, das hat es hier wohl noch nie gegeben. Wie Jörg Conrad, der erste Trompeter der Formation, nach dem einleitenden Titel erklärte, sollte es ein Versuch sein, grosse sinfonische Musik in einer kleinen Besetzung zur Aufführung zu bringen. Das Programm machte deutlich, dass bei den vorgesehenen Werken die Blasinstrumente in mannigfaltigster Art und Weise eingesetzt und sich dadurch neue Klangperspektiven ergeben würden. «A new dimension of trumpet sound» nennen es die sechs Berufsmusiker aus Luzern.

Johann Sebastian Bach.
Schon öfter wurde unternommen, Bachs vielstimmige Werke für Orgel oder Klavier auf mehrere Instrumente verteilt wiederzugeben. Das hier präsentierte Präludium und die Fuge in Es-Dur gewannen durch diese Erweiterung an Ausdruck und wurden auf eine neue Weise fassbar. Die klaren Wechsel zwischen Bläsern und Orgel, die geschickte Rollenzuteilung, die gezielte Wahl der Orgelregister erhöhten die Übersichtlichkeit des komplexen Werkes. Ging die Orgelstimme mit dem Bläserpart zusammen, setzte sie ihre glänzendsten Pfeifen ein; übernahm sie in der Fuge die Zwischenspiele, so tat sie dies mit zurückhaltenderen Registern.

Der Anfang der Fuge war dem Flügelhorn (Heinz della Torre) vorbehalten, dann folgte die Basstrompete (Otto Doppmann). Erst nach diesen etwas weicheren Stimmen traten die helleren Trompeten (Jörg Conrad, Thomas Portmann, Peter Schmid) in Aktion und liessen das Fugenthema in selten gehörter Dichte und Intensität aufstrahlen.

Das zweite Werk, von Bach, das auf dem Programm stand, war eine Transkription für Orgel der Sonata C-Dur für Flöte und Basso continuo. Sie zeigte das überragende Können des Mannes am königlichen Instrument (Markus Kühnis). Nach dem zarten Fluss der Flötenstimme im ersten Satz kam sie später mit übermütigen Kapriolen zur Geltung.

Peter lljitsch Tschaikowsky
Um die Buntheit eines sinfonischen Werkes der Romantik mit einem sechsköpfigen Ensemble zum Aufblühen zu bringen, dazu eignete sich die Musik von Tschaikowsky bestens. Die charakteristischen Tänze aus der Nussknacker-Suite, allen voran der aufrüttelnde Marsch, wurden von der Trompetergruppe frisch und schwungvoll vorgebracht. Das kernige Signal mit der schnellen Triole, gefolgt von den scharfen Punktierungen, war wie geschaffen für Bläser und vermittelte einen herzhaften Introitus. Im arabischen Tanz wurde mit aufgesetzten Dämpfern der Ton verfremdet, im chinesischen Tanz mit wirbligen Trillern, Aufschwüngen und stark rhythmisierter Begleitung exotische Atmosphäre erzeugt. Im russischen Tanz war das Klangvolumen, das die sechs Musiker zeitweilig entwickelten, enorm. In forcierten Tutti, wo alle Trompeter «voll Rohr» bliesen und auch die Orgel gewaltig daherbrauste, wetteiferten sie stellenweise mit der Wucht eines Sinfonieorchesters. Umso mehr schätzte man es, als die Instrumente wieder individuelle Rollen übernahmen und die fein gegliederte Gestaltung durchhörbar wurde.

Zur Erholung der stark strapazierten Bläser machte der Organist in einem Intermezzo einen Sprung in die Moderne. Er spielte ein virtuoses «Impromptu» des französischen Komponisten Louis Vierne. Dieser lebte 1870-1937 und war blind. Wilde Rhythmen, wirre Läufe und hangende Klänge kennzeichnen das schillernde, spannungsgeladene Stück.

Mussorgski und Ravel
Kein Wunder, wurde in der breit angelegten Schlussnummer nochmals auf Musik russischen Ursprungs zurückgegriffen. Die Umsetzung der Vorlagen in die Fassungen für das Ensemble besorgte Thomas Portmann, der Mann an der zweiten Trompete. Hier ist auch auf Maurice Ravel hinzuweisen, der Mussorgskis Werk «Bilder einer Ausstellung», das eigentlich für Klavier komponiert worden war, in eine sinfonische Form brachte, die es mit seiner expressiven Musikalität erst bekannt und berühmt machte. Auf diese Bearbeitung stützt sich auch das vorgetragene Arrangement. Der musikalische Bilderbogen erhielt durch die ungewohnte instrumentale Wiedergabe neue Farbakzente.

Die Konzertbesucher waren von dem Gehörten sichtlich begeistert und spendeten den vorzüglichen Musikern ausgiebig Beifall. Diese gewährten denn auch mit Johann Sebastian Bachs Choralbearbeitung zu «Jesu, meine Freude» eine Zugabe. Die Rückkehr zu Bach und zu besinnlicheren Tönen rundete die Darbietung «Symphonie trumpets in concert» kunstvoll ab.